Vor Kurzem haben wir auf minimap einen Aufruf der Uni Trier geteilt, in dem Grundschulkinder der 3. und 4. Klasse gesucht wurden, die in einer Gruppe lernen möchten, besser mit Alltags- und Schulstress umzugehen. Die Resonanz auf unseren Post war sehr hoch und zeigt, dass das Thema viele Eltern beschäftigt. Eigentlich ziemlich erschreckend. Warum ist das so? Warum empfinden schon Grundschulkinder Stress? Und was können Eltern, Familienmitglieder und auch die Schule dagegen tun? Darüber haben wir mit Bernadette von Dawans gesprochen, der Studienleiterin der besagten Studie „Kids und Stress: Stressmanagement für Grundschulkinder“.

Wir freuen uns sehr, mit diesem spannenden miniporträt unser minimap-Jahr beenden zu dürfen, zeigt es doch zum Jahresende noch einmal deutlich, was wirklich wichtig ist! Bleibt gesund und lasst die Seele baumeln!!! Alles Liebe und FROHE WEIHNACHTEN – Eure minimap girls!

Wer sind Sie und was machen Sie?

Mein Name ist Bernadette von Dawans. Ich bin Psychologin, Psychotherapeutin und Forscherin und arbeite an der Universität Trier in der Abteilung Biologische und Klinische Psychologie. In meiner Arbeitsgruppe gehen wir der Frage nach, was Kinder und Erwachsene vor Stress schützt und wie sich Stress auf das Sozialverhalten auswirkt. Aktuell startet dazu eine neue Studie bei Kindern der 3. und 4. Klasse.

Wie müssen wir uns Stress bei Kindern vorstellen? Wie äußert sich (Schul-)Stress bei Kindern?

Leider sind bereits Grundschulkinder belastet und erleben Stress, manchmal sogar sehr viel Stress. Die Umfragen dazu zeigen auch leider, dass diese Belastung weiter ansteigt. Bei Kindern im Grundschulalter zeigt sich Stress oft durch körperliche Symptome wie Bauchschmerzen oder Kopfweh. Auch Schlafstörungen treten häufig auf. Halten die Belastungen an, können sich weitere Probleme wie z. B. Ängste entwickeln.

Im Rahmen Ihrer Studie bieten Sie dann den interessierten Familien ein kostenloses Training an. Hier lernen die Kinder in Kleingruppen, sich gegen Stress zu wappnen. Wie sieht so eine Trainingseinheit aus?

Die Kindern lernen erst einmal gemeinsam, was Stress eigentlich ist und was er in ihrem Leben bedeutet. Das ist nämlich das Typische an Stress: Es ist ein sehr subjektives Geschehen. Gemeinsam mit den anderen Kindern lernen die Teilnehmer_innen dann Techniken, die ihnen helfen, zu entspannen und mit Stress positiv umzugehen. In unserem Forschungsprojekt vergleichen wir zwei verschiedene Trainings miteinander und testen vorher und nachher die Stressreaktion der Kinder. Dabei messen wir auch biologische Marker wie z. B. das Stresshormon Cortisol im Speichel oder die Herzaktivität der Kinder. So können wir auch körperliche Auswirkungen exakt festhalten und vergleichen.

Was könnten oder sollten Schulen ändern, um Alltags- und Schulstress zu mildern oder gar abzufangen?

Die meisten Schulen nehmen sich dem Thema bereits an und machen z. B. im Rahmen von Aktionswochen oder anderen Angeboten darauf aufmerksam. Diese frühe Sensibilisierung und Aufklärung ist sehr wichtig. Neben der Möglichkeit zur körperlichen Betätigung ist das Erlernen von Emotionsregulationsstrategien für Kinder sehr entscheidend. Auch hier kann die Schule die Kinder im Alltag mit unterstützen. Vergessen werden manchmal die „einfachen“ Dinge wie zu Lärmbelastung und zu wenig Rückzugsmöglichkeiten. Hier kann Stressbelastung bereits reduziert werden. Nicht nur im Bereich der Schule ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass wir Erwachsene als Lehrer, aber auch Eltern oder in einer anderen Funktion den Kindern Vorbild sind und ihnen einen positiven Umgang mit Belastungen vorleben sollten. Insgesamt scheint hohe Stressbelastung bei Kindern mit aggressivem Verhalten in Verbindung zu stehen. Auch deshalb ist es so wichtig, dass sich die Schulen auch weiterhin dem Thema annehmen.

Der Alltag ist heute zunehmend enger getaktet. Wenn ich mir unseren Familienkalender anschaue, jagt gewissermaßen ein Termin den nächsten. Und wir Eltern leben das ehrlich gesagt auch nicht anders vor. Wir sind beide gerne viel unterwegs. An welchen Stellen können oder sollten Familien „Luft rausnehmen“ oder vielmehr „Luft zulassen“? Gibt es Handlungsempfehlungen, die sich bewährt haben, wie man als Familie im Gleichgewicht bleibt?

Ich möchte hier keine Ratschläge geben, denn jede Familie hat ihre ganz eigene Konstellation, eigene Pläne und Zwänge. Wichtigster Punkt ist, dass eine Familie für sich prüft, ob die Belastungen, der „Stress“, die Menge und Art von Terminen etc. für sie passt oder ob es zu Problemen kommt und jemand in der Familie (oder alle darunter leiden oder es gerne anders hätten). Im nächsten Schritt geht es dann daran zu prüfen, was man ändern möchte. Diese beiden Aspekte brauchen erst mal Zeit, denn man muss sich dafür hinsetzen, miteinander reden etc. Und dann geht’s ans Verhandeln: Wer braucht was in welcher Menge und wo könnten wir etwas Luft schaffen und Termine rausnehmen? Das bedeutet: Freiräume schaffen für z. B. gemeinsame Zeit oder auch Zeit allein für Eltern oder auch allein und frei für die Kinder. Es gibt viele Möglichkeiten, hier zu gestalten, und oft braucht es eine ganze Weile, bis man als Familie einen passenden Weg gefunden hat. Und wenn sich mal nichts machen lässt und alles sehr dicht und voll ist (manchmal ist das genau jetzt … in der Vorweihnachtszeit), dann kann es helfen, dennoch zwischendurch die Bremse zu treten. Auch wenn eigentlich keine Zeit ist: sich gemeinsam hinsetzen und einen Tee trinken, ein Spiel spielen, gemeinsam aktiv sein, etwas vorlesen etc. und dabei möglichst achtsam im Moment sein statt in Gedanken schon beim nächsten oder übernächsten Termin, den noch fehlenden Geschenken, den Plätzchen, die noch alle gebacken werden müssen. Diese Achtsamkeit muss aber auch geübt werden und fällt nicht jedem von Anfang an leicht.

Haben Sie noch einen Special-Tipp für uns: Was hilft Ihnen persönlich, wenn das Stresslevel steigt?

Für mich ist es Bewegung und draußen sein – am besten in Kombination. Mit meinen Kindern zusammen macht das riesig Spaß und hier gibt’s so viele lustige Spiele. Guter Nebeneffekt: Der Kopf wird frei, denn er hat währenddessen kaum die Möglichkeit, noch an all die unerledigten Dinge zu denken.

Wo finden interessierte Familien weiterführende Informationen? Wo kann man sich für das Training anmelden?

Wir planen aktuell, neue Trainingsgruppen fürs kommende Jahr, die vorraussichtlich ab Mitte Januar starten. In einem weiteren Projekt untersuchen wir, wie sich Stress auf das Sozialverhalten bei Kindern auswirkt. An beiden Projekten können gesunde Kinder der 3. und 4. Klasse teilnehmen. Interessierte Familien können uns am besten an biostudien@uni-trier.de schreiben und als Betreff: Kids & Stress angeben. Zusätzliche Informationen finden Sie auch auf unserer Homepage.

Vielen Dank für das Gespräch!